MUSICAL Einmal mehr Begeisterung im Publikum für gelungene Premiere des Norder UGN-Musicals. Mit der großen Hitze im Saal hatte das Publikum richtig zu kämpfen. Wurde aber vom tollen Stück wunderbar abgelenkt.
NORDEN /ISH – Rohes Ei mit einem Spritzer Worcestersauce – oder gern auch nur einfach Salz aus dem Streuer drauf bitte. Wonach das schmeckt?

Nun, mit der Zahnbürste im entsprechenden Becher verquirlt, dürfte die Antwort klar sein: „Nach Pfefferminz “, kommentiert Lukas Bron Emilija Radenkovics leicht spezielles Cocktailangebot. Nicht nur in dieser Szene hatte das Publikum am Mittwochabend einmal mehr Riesenspaß beim Musical des Norder Ulrichsgymnasiums (UGN).
Zum 21. Mal Musicaltime – nach der so erfolgreichen Eigenproduktion zum 450-jährigen Schuljubiläum im letzten Jahr gab es rund um doch Bedenken: Wie sollte man das womit noch toppen? Vielleicht mit „Cabaret“? Wobei sich Vergleiche verbieten sollten – „Cabaret“ 2018 ist einmal mehr einfach eine super gelungene Produktion. Allerdings – wie wollte man in Worte fassen, was da in zweieinhalb Stunden alles auf die Bühne gezaubert wird?

Schauspiel, Gesang, Tanz, Orchester, Chor,Technik, Kostüme, Maske es ist einmal mehr das Gesamtbild, das das Publikum staunen lässt.Es wird Jahr für Jahr Zeuge, wie das Musical erwachsener geworden ist. Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der sich die jungen Leute auf der Bühne zum Spaß aller auf der einen Seite zum berühmten Affen machen und auf der anderen überzeugend Zeitgeschichte präsentieren.

Denn „Cabaret“ ist ja deutlich mehr als die Erinnerung an den Broadway-Klassiker aus den späteren 1960er -Jahren oder den Film mit Liza Minelli aus den frühen Siebzigern. Zeigen, wie sich im glitzernden (Nacht-)Leben Berlins ganz langsam das nationalsozialistische Gift ausbreitet, Menschen entzweit, Liebe zerstört – das ist dem UGN-Musicalteam sehr überzeugend gelungen. Zwei Paare stehen im Vordergrund – Sally Bowles (Emilija Radenkovic) und Cliff (Lukas Bron) auf der einen Seite, Fräulein Schneider (Nele Kühn) und Herr Schultz (Renke Ahrends) auf der anderen. Keine Beziehung hat 1930 eine echte Chance – wenn die einen merken, was der aufkommende Nationalsozialismus für die Menschen im Staat bedeutet (Cliff) und die anderen zum Außenseiter werden, weil sie jüdischen Glaubens sind (Herr Schultz).

Es gibt Momente, da klatschen die Zuschauer begeistert mit, natürlich bei den berühmten Songs: „Cabaret“, „Money“, es gibt die anderen, da hören sie gebannt zu – “Miesnick“. Das Stück, das so vieles zwischen Witz, Slapstick und Melancholie vereint. Toll herüber gebracht von Renke Ahrends und den Instrumentalsolisten Frieso Boomgaarden (Gitarre), Hedda Saathoff (Akkordeon), Lisa Seemann (Trompete), Friederike Alts (Klarinette) und Lea Waskowiak (Geige). Eigentlich ist es unfair, einzelne Namen zu nennen, so viele machen doch den Abend zu einem so gelungenen. Trotzdem: Es gibt sie, diese Momente, die in besonderer Erinnerung bleiben dürften. Dazu gehören beispielsweise auch die Auftritte vonThomas Erdbrügger als Conférencier – in jedem Outfit beklatscht wegen seines tollen Gesangs und seiner selbstbewussten Art, sich auf der Bühne zu bewegen. Outfit ist ein gutes Stichwort für die Kostüm - und Maskeverantwortlichen, die in diesem Jahr sicher eine Glanzleistung hingelegt haben. Abwechslungsreich, einfallsreich, einfach top.

Und es gäbe viele weitere zu nennen – die Haupt- und Nebendarsteller – frech, mutig, selbstbewusst wie Emilija Radenkovic (als Sally Bowles), Hannah Meier (Fräulein Kost) oder Remmer Pläsier (Ernst), nachdenklich, spürbar von Sorgen um die Zukunft gequält wie Lukas Bron (Cliff). Dann sind da die Damen mit den tollen Songs: Karolina König, Samira Janssen, Alina Hielscher, Gianina Risse und Tina Pfeffer – und: der Chor. Ein Lied reichte, ihn einmal in den Vordergrund zu rücken: „Der morgige Tag“. Hui, Vaterlandsschmalz perfekt herübergebracht. Chapeau!

Richtig in Szene gesetzt haben das Stück einmal mehr die Tänzerinnen, eine Gruppe, die sich Jahr für Jahr gereifter präsentiert und wandlungsfähig nicht nur in Bezug auf ihre Kostüme, viel mehr eingebettet in das Geschehen und Verbindungsglied zwischen den Szenen.

Die Kulissen bauer haben – das rang auch dem anwesenden Norder Bürgermeister höchstes Lob ab – beste Arbeit abgeliefert. Das glitzernde Kit-Kat-Klub-Schild im oberenTeil der Bühne fällt sofort ins Auge, super ausgedacht ist aber vor allem das Zugabteil für Cliff. Vorhang fast zugezogen, sitzt der unglückliche Kerl da allein in den Bänken, aus dem Hintergrund Bahnhofsansagen. Volltreffer!

Die Techniker schließlich präsentierten fast ihre eigene Show – was wäre das Stück wohl ohne ihre Lichtinszenierungen? Manchmal vielleicht ein bisschen zu viel Spielwiese – wie auch immer, das Publikum feierte sie alle trotz sengender Hitze im Saal bei der Premiere frenetisch. Dass man bei den gefühlten Tropentemperaturen auf der Bühne überhaupt so leidenschaftlich agieren konnte! Einzig unklar bleibt am Ende, warum – nicht nur in Schulmusicals – immer und überall alles zugenebelt werden muss. Das tolle Orchester ist selten dunstfrei zu sehen.

Weitere Aufführungen:
Das Musical wird heute noch einmal um 19.30 Uhr und am Sonnabend um 16 Uhr in der Aula der Oberschule Norden aufgeführt.

 Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 08.06.2018, Seite 3.