PROJEKTWOCHE Die Schüler der sechsten und siebten Klassen sollen eine ablehnende Haltung gegenüber Mobbing entwickeln
Auf der Bühne erfahren die Schüler, wie man sich als Opfer fühlt. Das Engagement gegen Cybermobbing steht im Fokus.
NORDEN/CWA – Wie fühlt es sich an, ausgegrenzt zu werden? Welche Reaktionen lösen ständige Hänseleien aus und wie kann man Cybermobbing effektiv begegnen? Das sind Fragen, die in dieser Woche von den Schülern der sechsten und siebten Klassen am Ulrichsgymnasium Norden (UGN) erarbeitet und beantwortet werden.

Zum Beginn des Projekts stand zunächst eine interaktive Vorführung durch die Gruppe „Mensch: Theater! Theaterpädagogik mit Biss“ auf dem Stundenplan. Jeweils drei Klassen des sechsten Jahrgangs kamen am Montag und Dienstag in die Aula des UGN und sahen sich verschiedene Mobbingszenen an. Nach jedem Akt wurden die Schüler aufgefordert, die Situation zu beschreiben und das Verhalten der drei Darsteller zu analysieren. Einer der Lösungsvorschläge wurde dann auf der Bühne durchgespielt. Dazu durfte einer der Schüler in die Rolle des Mitläufers oder des Opfers schlüpfen. „Es gehört viel Mut dazu, vorn auf der Bühne zu sitzen und sich dem Spott des Täters zuwidersetzen“, sagte Dirk Kaufmann vom Ensemble.
Als es dabei um die Ausgrenzung eines Menschen ging, wurde schnell deutlich, welche kleinen Anmerkungen bereits zum Mobbing werden können. In dem gespielten Fall war ein Schüler an Neurodermitis erkrankt. Durch das ständige Kratzen und die Schuppenbildung der Haut hatten Mitschüler schnell einen vermeintlichen Grund gefunden, um Beleidigungen und Anfeindungen auszusprechen. Die Folge war eine emotionale Reaktion des Opfers. „Diese Art des Mobbings ist leider sehr häufig zu beobachten. Dabei entsteht eine Gruppendynamik, wobei am Ende alle gegen einen sind“, sagte Kaufmann. Und er ergänzte, dass die Ausgrenzung für das Opfer schlimme Folgen haben kann. Die Kinder fanden gemeinsam mit den Darstellern eine Lösung, um Konflikte dieser Art im Keim zu ersticken und das Opfer zu schützen.
Ein ebenso weit verbreitetes Problem ist das Cybermobbing. Wie alltäglich der Umgang mit den modernen Medien ist und wie schnell Cybermobbing jeden betreffen kann, zeigte die Antwort auf die Frage,werdenn alles auf dem eigenen Smartphone das Programm Whatsapp benutzt. Die meisten Arme der Schüler zeigten nach oben. Die daraufhin folgende Inszenierung von Kaufmann und seinem Team verdeutlichte, dass die modernen Medien an dieser Stelle auch ihre negativen Seiten haben. In der gespielten Szene wurde das Bedrängen und die sexuelle Nötigung eines Mädchens mit dem Handy gefilmt. Diese Aufzeichnung diente den unbeteiligten Zeugen als Mittel, um vom Täter wiederum eine Gegenleistung zu erpressen. „Direkt zur Polizei gehen“, war dagegen die Meinung der Schüler, als die Situation gemeinsam besprochen wurde.
Genau hier setzen auch die weitergehenden Workshops in den Klassen an. Dabei geht es in erster Linie um eine Sensibilisierung der Schüler für das Thema. „Die Kinder sollen über die rechtliche Situation aufgeklärt werden und Handlungskompetenz erwerben, wenn sie als Beobachter oder Opfer Cybermobbing erleben“, sagte Martina Jürgens vom UGN. Daher sollen Handlungsstrategien entwickelt werden, die in einem nachfolgenden Schritt von den Schülern zu einem Leitfaden im Fall von Cybermobbing umgesetzt werden. „Ziel soll im Idealfall eine ablehnende Haltung gegenüber Mobbing sein“, ergänzte Jürgens. Was viele nicht wissen, Cybermobbing fängt bei Kleinigkeiten an. Für die siebten Klassen gibt es darüber hinaus am Donnerstag und Freitag einen eigenen Präventionstag gegen Cybermobbing.
Gemeinsam mit ihren Kollegen Silke Burlage, Ulrike Baaske sowie Jürgen Deckena gehört Martina Jürgens zum Mobbinginterventionsteam am UGN. „Eine reine Präventivmaßnahme, um das Gefühl der Betroffenheit und die Bereitschaft, sich gegen Cybermobbing zu engagieren, zu verstärken“, sagte die Lehrerin.
Auch das Team von „Mensch: Theater! Theaterpädagogik mit Biss“ will mit seiner Arbeit selbsterziehend und nachhaltig wirken. Bereits seit 2011 sind Dirk Kaufmann und seine Mitstreiter Canan Kir sowie Tobias Gerstner im Rahmen der Mobbingprävention bundesweit unterwegs und in dieser Woche das erste Mal in Norden. Die drei sind begeistert über den offenen und kritischen Umgang der Schüler mit den gespielten Szenen. „Wir erleben eine sehr große Aktionsbereitschaft, auch hier oben auf der Bühne“, sagte Kaufmann. Insgesamt seien die Klassen sehr aufgeschlossen und pflegen ein respektvolles Miteinander.
Eine besondere Herausforderung ist für das Team immer wieder die Aufgabe, das Gefühl der Ausgrenzung so realistisch wiemöglich zu vermitteln. „Als bisheriger Täter oder Mitläufer lernen die Kinder so die Position des Mobbingsopfers kennen. Das ist eine ganz andere Wahrnehmung“, erklärte Gerstner. Denn selbst bei einem harmlosen Streit kommt es immer wieder vor, dass der Unterliegende in eine dauerhafte Außenseiterposition rutscht und von den anderen als Opfer angesehen wird. „Das ist auch ein großes allgemeines Problem in unserer heutigen Gesellschaft und ein schlechtes Vorbild für unsere Kinder.“

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 18.10.2017, Seite 4.