PROJEKT Norder Jugendliche haben Konzentrationslager in Polen besichtigt – Auch Auschwitz-Besuch auf dem Programm
Gymnasiasten empfinden während der Führung Wut und Trauer. Aber: „Treffen mit Schülern aus ganz Europa war einzigartig"

KRAKAU/ELA – Sie haben Eindrücke auf ihrer Fahrt nach Krakau und ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gewonnen, die auch noch Tage später bewegen. Diejenigen, die sie erlebt haben – und die, die die Eindrücke hören: „Dieses unheimliche Gefühl in Birkenau werde ich nie vergessen. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich würde den Rauch riechen und Krankheit und Tod“, sagt Maike Becker. Jannis Düngemann: „Dass, was man dort gesehen und erfahren hat, lässt sich schwer mit Worten beschreiben, vergessen wird man es jedoch nie.“ 

Acht Schülerinnen und Schüler des Ulrichsgymnasiums Norden (UGN), die in einer Arbeitsgruppe an dem europäischen Projekt „Relais de la Mémoire“ teilnehmen, waren vor Kurzem mit den Lehrern Petra Drüke und Dr. Jörg Rademacher zu Gast in Polen. „Relais de la Mémoire“ bedeutet übersetzt Staffellauf der Erinnerung und hat das Ziel, Erfahrungen von Zeitzeugen an die junge Generation weiterzugeben. Schwerpunkt bildet die Zeit des Nationalsozialismus, aber es werden auch immer wieder aktuelle Themen angesprochen, die die politische Situation in Europa zum Inhalt haben. Beteiligt sind Schulen aus Paris, Marseille, Krakau, Wien, Newcastle und Norden. Nachdem die Jugendlichen bereits in Frankreich und England waren und im vergangenen Jahr das Treffen in Norden stattfand, stand jetzt Krakau auf dem Programm.
Am ersten Tag des Besuches begegneten die jungen Leute der verschiedenen Schulen aus Europa verschiedenen Zeitzeugen. Polnische Widerstandskämpfer erzählten von ihrem Kampf gegen Deutsche, Sowjets und Ukrainer. Die Jugendlichen waren überrascht, dass die Zeugen nicht hasserfüllt waren, sondern daran interessiert, ihre Erinnerungen an die Jugend weiterzugeben und so der Nachwelt zu bewahren.
In Vorträgen, Gruppenarbeiten und Workshops bearbeiteten die jungen Leute anschließend das Jahresthema „Propaganda“. Hier stellten die Schulen auch ihre Arbeiten vor, die sie vorbereitet hatten. Die Norder präsentierten Beispiele aus dem Schulalltag im Nationalsozialismus und zeigten, wie die nationalsozialistische Propaganda in viele Schulstunden zum Teil ganz subtil Einzug hielt. Ein Beispiel aus dem Mathematikunterricht: „... Nach vorsichtigen Schätzungen sind in Deutschland 300 000 Geisteskranke, Epileptiker und so weiter in Anstaltspflege. a) Was kosten diese jährlich insgesamt bei einem Satz von 4 RM [pro Tag]? b) Wie viele Ehestandsdarlehen [zinslose Darlehen für junge Eheleute] zu je 1000 RM könnten von diesem Geld jährlich ausgegeben werden?“ Als Quelle nutzten die Norder Schüler das Werk „Mathematik im Dienste der Nationalpolitischen Erziehung“.
Innerhalb der Begegnung besuchten die Schüler auch das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. „Das Konzentrationslager selbst lässt sich nicht beschreiben. Es lassen sich nur einzelne Eindrücke wiedergeben, wie das ungläubige Entsetzen, als ich unter dem Schild mit der Aufschrift ,Arbeit-macht frei’ durch das Eingangstor ging“, so die Schülerin Maike Becker. Ihre Wut und Trauer seien während der Führung immer stärker geworden. „Dieses unheimliche Gefühl in Birkenau werde ich nie vergessen.“
Insgesamt ziehen die Norder Schüler Tilka Winkelmann, Maike Becker, Jannis Düngemann, Emili Schwarzkopf, Lina Biebrich, Nadja Kasolowsky, Leonie von Prüssing und Leo Müller ein sehr positives Fazit ihrer Reise nach Polen: „Das Relais-Treffen in Krakau war eine einzigartige Erfahrung. Die Treffen und der Austausch mit Jugendlichen aus ganz Europa waren wunderbar. Man lernt Sprachen und findet manchmal sogar Freunde fürs Leben“, sagt Jannis Düngemann, „im Vergleich zu der kurzen Zeitspanne der Treffen entsteht eine sehr enge Verbundenheit zwischen allen Relais-Teilnehmern.“ Kurz und knapp bringt Leonie von Prüssing das Treffen auf den Punkt: „Geschichte kann man nicht besser lernen als im Relais de la Memóire.“

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 12.11.16, Seite 4.